St. Louis
Wo die vergangenen zwei Berichte lediglich an der Oberfläche dessen gekratzt haben, was nun zu einem soliden Fundament für das folgende Kapitel geworden ist, erzähle ich eine Geschichte der inzwischen drei vergangenen Monate, die, wenn ich ehrlich bin, beachtlich – fast schon zu schnell – vergangen sind. Ich möchte mit der Akademik eröffnen: einer, wie versprochen, wahrlich anderen Welt im Vergleich zu Europa.
Wie bereits erwähnt, reicht die Schulzeit in Indonesien weit in das Privatleben der Schüler hinein. Zumutbar ist dieser Umstand bisher nur meiner Schule, die ihren Status als eine der besten High Schools des Landes wirklich ernst nimmt. Die Unterrichtsbelastung sowie das Niveau des Stoffs sind deutlich höher, während die Zeit zum Lernen wesentlich kürzer ist. So entstehen oft Hausaufgaben, die fleißige Schüler bis Mitternacht beschäftigen, bevor sie gegen 5 Uhr morgens erneut aufstehen, um den nächsten Schultag zu beginnen.
Man merkt, dass sich dieser Druck in einigen Schülern widerspiegelt, die häufig ihren verlorenen Schlaf im Unterricht nachholen oder sich anderweitig ablenken lassen. Verschiedene Lehrer haben unterschiedliche Ansätze: Manche geben Aufgaben und widmen sich dann eigenen Dingen, andere erklären den Stoff enthusiastisch, bevor es ans Üben geht. Ein besonderes Beispiel ist unser Physiklehrer. Obwohl es bei ihm nicht weniger Hausaufgaben gibt, ist die Interaktion mit der Klasse wirklich einzigartig an St. Louis. Als Austauschschüler habe ich das gleiche Pensum und die gleichen Erwartungen an meine akademischen Leistungen wie die anderen Schüler, wofür ich besonders dankbar bin. Nach dem Unterricht bietet die Schulbibliothek eine angenehme Lernatmosphäre. Aus den im letzten Blogeintrag erwähnten Ganztagsangeboten habe ich mich außerdem für Taekwondo sowie den schulischen Mathe-Club entschieden.
Da die Schule in Indonesien einen großen Teil des Lebens eines Jugendlichen ausmacht, ist die Verbundenheit der Schüler zu dieser und zu schulbezogenen Aktivitäten wahrlich beeindruckend – so etwas habe ich zuvor noch nicht gesehen. Ein Beispiel dafür ist die “Development Basketball League” (DBL), eine Organisation, die seit ihrer Gründung im Jahr 2004 mit dem Ziel, den hier sehr populären Sport Basketball zu fördern, zu einem großen, nationalen Ereignis gewachsen ist. Die DBL organisiert zweimal im Jahr eine Liga, in der High-School-Basketballteams gegeneinander antreten und um Titel wie den Surabaya Champion und East-Java Champion kämpfen. Es ist eine große Sache, und da St. Louis’ Basketballteam nun bereits sechs Jahre in Folge East-Java Champion ist, gibt es neben den Spielern selbst ein “Supporter-Team”, das sich das ganze Jahr darauf vorbereitet, die eigene Mannschaft mit eingeübten Trommeln, Supportersongs, Fanchoreografien und gigantischen Bannern zu unterstützen. All dies wird nach dem Unterricht von vielen hundert Schülern auf den Schulhöfen einstudiert und organisiert. Und dabei ist die DBL nur ein Beispiel für die verschiedenen Gründe, weshalb St. Louis 24 Stunden am Tag geöffnet ist.






St. Louis' Ruf spiegelt sich nicht nur in der akademischen Rigorosität wider, sondern auch in der ausgeprägten Wettbewerbskultur, die hier herrscht. Diese kompetitive Atmosphäre durchdringt nahezu jeden Aspekt des Schullebens, wobei großer Wert auf persönliche, insbesondere akademische Errungenschaften gelegt wird. Wettbewerbe für nahezu alle erlernbaren Fähigkeiten und Interessen finden in verschiedenen Formaten statt, jeweils mit unterschiedlichen Preisen für die Gewinner. Besonders haben die Naturwissenschafts-Olympiaden mein Interesse geweckt, aber auch sportliche Wettbewerbe sind nicht weniger spannend.
Der Sprache gewidmet
Zu Beginn unseres Aufenthalts in Indonesien wurde von jedem Austauschschüler ein Mindestmaß an Bahasa Indonesia-Kenntnissen erwartet, die sich im Laufe des Jahres weiterentwickeln würden und durch einen dreimonatigen Rotary-Kurs gestärkt wurden. Da mein Indonesisch bereits für den Alltag geeignet war, fand ich Interesse am Unterrichtsfach Mandarin, das ebenfalls Teil des Lehrplans ist. Indonesisch ist eine grammatisch flexible Sprache, deren größte Schwierigkeiten im Erlernen die Ebenen der Formalität und die kontextabhängigen “multifunktionalen Wörter” sind. Was ist damit gemeint?
- Formale Ebenen Genau wie im Deutschen zwischen “Sie” und “Du” unterschieden wird, gibt es im Indonesischen die formale und informelle Ansprache. Neben Personalpronomen gibt es jedoch für einen großen Teil des Vokabulars unterschiedliche Wörter mit gleicher Bedeutung, die je nach Kontext und Formalität unterschiedlich genutzt werden. Zum Beispiel sind die Sätze “Tolong, aku mau pesan makanan sehat.” und “Tolong, saya mohon ingin memesan makanan yang sehat.” bedeutungsgleich. Der erste Satz ist jedoch informell, während der zweite im Restaurant angemessener wäre. Die Bedeutung ist übrigens: “Ich möchte bitte gesundes Essen bestellen.”
- Multifunktionale Wörter Indonesisch hat keine Fälle, Modi oder Zeitformen, was es definitiv zu einer der einfacheren asiatischen Sprachen macht. Multifunktionale Wörter können je nach Kontext unterschiedliche Bedeutungen haben.
Hier einige Beispiele für "Multitool-Wörter" in Bahasa Indonesia:
- Jalan: Kann bedeuten: "Straße", "gehen", "laufen" oder "funktionieren". Beispiel: "Jalan jalan di jalan" bedeutet "Spazieren auf der Straße".
- Naik: Kann "steigen", "einsteigen", “erhöhen”, “verbessern”, “befördert werden” oder "zunehmen" bedeuten. "Naik mobil" bedeutet "Auto fahren", während man mit "naik pangkat" eine Beförderung erhält.
- Masuk: Dieses Wort kann “einreichen”, “ankommen”, “betreten” oder “dazugehören” bedeuten. Im übertragenen Sinn bedeutet "masuk akal" etwa "logisch" oder "verständlich".
Allein auf der Hauptinsel Java gibt es neben der Nationalsprache etwa 600 weitere eigenständige Sprachen, darunter die weit verbreitete javanische Sprache und Balinesisch, beide mit eigenem Alphabet.
Negative Betrachtungen
Während meine bisherigen Erfahrungen überwiegend positiv waren, möchte ich nun einige Beobachtungen zu den Herausforderungen teilen, die mir in Indonesien aufgefallen sind. Trotz der Warmherzigkeit der Menschen hier gibt es gesellschaftliche Herausforderungen, die allgemeine Tendenzen widerspiegeln und als Entwicklungsmöglichkeiten für das Land verstanden werden können.
Ein Unterschied zu Deutschland zeigt sich in der Ernährung: Viele traditionelle oder verbreitete Gerichte bestehen aus frittierten oder stark verarbeiteten Lebensmitteln. Die vergleichsweise niedrigen Preise machen Fast Food und ungesunde Speisen attraktiv für Teile der Bevölkerung. Selbstständig zu kochen, scheint keine Selbstverständlichkeit zu sein.
Als Entwicklungsland mit einer Bevölkerung von ca. 280 Millionen (der viertgrößten der Welt) stellt die Infrastruktur das Land vor Herausforderungen. Müllsortierungsanlagen und eine staatliche Müllabfuhr fehlen an vielen Orten, und Mülltrennung ist wenig verbreitet. Viele Menschen verbrennen ihren Abfall oder entsorgen ihn in Flüssen, sodass sowohl urbane als auch naturverbundene Umgebungen oft stark verschmutzt sind.
Trotz dieser Herausforderungen zeigt Indonesien den Willen zur Verbesserung. Initiativen für Umweltschutz gewinnen an Bedeutung, besonders unter der jungen Generation.
Abschluss
Ich bin dankbar für die gemeinsamen Momente, die ich bisher mit meinem Umfeld teilen konnte. Mit Schulgesandten besuchten wir Semarang, eine große Stadt in Zentral-Java, um St. Louis bei einer Schulmesse zu repräsentieren. Es gibt hier Sprachinstitute wie “Wisma Jerman”, die Deutsch lehren und sogar jährlich das Oktoberfest organisieren. Viele Wettbewerbe verschiedener Bereiche haben hier ebenfalls ihren Platz. Die anderen Austauschschüler berichten von ihren eigenen Erfahrungen, wenn wir uns bei den monatlichen Rotary-Treffen sehen. Eine schöne Zeit.








Danke, für dein Interesse an dieser Reise.
Danke, Rotary, für diese Möglichkeit.

Keep looking up.
Daniel